Daikanyama Doujunkai
ein Architekturdenkmal verschwindet
ehemals an der Daikanyama Station der Tokyu Toyoko Linie (1. Station nach Shibuya) gelegen; jetzt Kommerzviertel mit Hochhaus-Appartments und Geschäften (in der Nähe befindet sich die Aoyama Hillside Terrace von Maki Fumihiko)


die doujunkai
Nach dem verheerenden Erdbeben 1923, bei dem mehr als 120.000 Menschen den Tod fanden und ein Vielfaches die Behausung verlor, wurde 1924 unter der Schimherrschaft des Japanischen Innenministeriums die "gemeinnützige Wohnbaugesellschaft" doujunkai gegründet. Das Ziel war die möglichst schnelle Versorgung der Bevölkerung mit z.T. erdbebensicheren Wohnungen in Tokyo und Yokohama. Nutznießer sollten die arbeitende Bevölkerung, Soldaten, Angestellte und Beamte sein. Unter den Bauvorhaben waren auch Slumsanierungsprojekte geplant.
Nach den ersten Plänen sollten 1000 Wohneinheiten in der damals neuen Stahlbetontechnik errichtet werden. Tatsächlich wurden aber mehr als die doppelte Anzahl (2620) errichtet.
Die Beton-Appartments zeichneten sich nicht nur durch einen modernen westlich geprägten Wohnstil aus, sondern auch durch eine bis dahin revolutionäre Infrastruktur: standardmäßiger Gas- und Wasseranschluß, Toiletten mit Wasserspülung und Müllschlucker; zuweilen wurden auch Zentralheizung, Telefon, Radio und Badezimmer mit eingebaut bzw. gehörten zur "Apato"-Ausstattung. Moderate Mieten erhöhten zudem die Attraktvität.
Dass das Interesse der Wohnungssuchenden groß war, läßt sich daran erkennen, das für eine Wohnung z.T. über 20 Bewerber verzeichnet werden konnte.

1941 wurde die doujunkai aufgelöst und in eine neue Gesellschaft eingegliedert - die juutaku-eidan. Diese wurde nach Kriegsende von den USA wegen kriegsunterstützender Tätigkeiten aufgelöst. Nachfolgebesitzerin der Daikanyama war die Stadt Tokyo, die aber um Verwaltungsarbeiten und Verantwortung abzuwiegeln, die Appartments an Private (größtenteils an die Mieter) verkaufte. Interessanterweise erst die Gebäude und einge Jahre später die Grundstücke, was dazu führte, dass zum Schluß (1996) zwei Grundstücke immer noch der Stadt Tokyo gehörten.


Daikanyama 1925 bis heute
Wer bis Anfang 1996 diese Nachbarschaft besuchte, hatte die Möglichkeit ein einmaliges Ensemble moderner Architektur auf ca. 2ha zu durchwandern. Nicht nur die stark durchgrünte Architektur, auch der städtebauliche Kontext, die Gebäude zueinander stellten eine absolute Besonderheit dar. Natürlich hatte sie nicht die Qualität einer Weißenhof-Siedlung (anderer Anspruch), die Atmosphäre aber sprach einzig für sich und so möchte ich den historischen Wert mit ihr gleich setzen. Zu dieser Zeit - 1996 - waren zwar noch relativ viele Häuser bewohnt, doch war schon abzuzusehen, dass in den kommenden Monaten eines der wertvollsten Architekturen Tokyos der Abrißbirne zum Opfer fallen würde. Interventionen von Seiten der Architektenschaft wurden nicht erhört - eine unter-Denkmalschutz-Stellung verlor die Schlacht gegen den Kommerz.
Der gesamte Komplex bestand aus 230 Wohnungen für Familien, 94 Wohnungen für Singles, 9 Geschäften, einem Kinderspielplatz, einem Gemeinschaftshaus, einem öffentlichen Badehaus und einem Gasthaus.
Im Laufe der Jahrzehnte stieg der Wohn- und Lebensstandard - die Apartments entsprachen daher nicht mehr den allgemeinen Vorstellungen, was zur Folge hatte, dass viele Eigentümer auszogen und die Wohnungen billig vermieteten. Um Instandhaltung und Sanierung kümmerte sich niemand: undichte Gasleitungen, ein defektes Stromnetz und unzureichende Sanitäreinrichtungen prägten schließlich das Bild von Daikanyama.
Mit der Gründung eines Eigentümervereins zur Erneuerung der Wohnanlage (saikaihatsu o kangaeru kai) 1980 bzw. später einer Genossenschaft (junbi-kumiai) war der Untergang der Siedlung beschlossen. Das Ergebnis nach fast 15 Jahren Verhandlungen mit der Stadt und Baugesellschaften ist kurz zu umreißen: alle Gebäude wurden geschliffen: aus 11.600qm Geschoßfläche wurden 96.800qm. Die Grundfläche der Gebäude stieg von 4.000qm auf 8.000qm. Die Zahl der Wohnungen wuchs von 320 auf 530. Gleich geblieben ist die Fläche der öffentlichen Parkanlage von 365qm.

Weitaus drastischer und detaillierter ist die Geschichte der Daikanyama doujunkai in Uta Hohns Habilitationsschrift "Stadtplanung in Japan" nachzulesen.






die Siedlung Daikanyama Anfang 1996
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